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Human-Centric Lighting – Qualitätsunterschiede auf dem Weg zur Lösung

Wolfgang Bernecker • Nov. 07, 2019

Gute Idee und kleinere Problemfelder

Es ist erfrischend zu sehen, dass die Lichtbranche, unter dem Stichwort „Human Centric Lighting“ versucht, die neuen Möglichkeiten der Technologie in echte Qualität für Menschen zu überführen. Doch es zeigt sich, dass der Begriff Human-Centric Lighting für eine Bandbreite an Anwendungen genutzt wird. Ein Vergleich zwischen den Qualitätsniveaus ist kaum möglich und keinesfalls gerecht. Die oft zitierten Äpfel und Birnen. Dieser Blog hat das Ziel dem interessierten Endkunden Ansätze zu bieten, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Dies erhöht die Chance, Erwartungen erfüllt zu bekommen. 
Lesezeit 4 Minuten.  

Historisches Umfeld schafft Voraussetzungen und Probleme

Der Umstieg auf die LED hat die Gütemerkmale der Beleuchtung in vielen Diskussionen um gutes Licht an die Seite gedrängt. Nach der ersten dekorativen und sehr farbigen Einführungsphase vor 2010, schienen erfolgreiche Produkte in den letzten Jahren einfachen Formeln zu folgen. Mehr Licht pro Watt wurde von Lichtmenge pro Euro abgelöst. Beide Themen führen zu einem destruktiven Marktverhalten. Leuchten werden immer ähnlicher. Der Preiskampf immer intensiver. Im Erfolgsdruck bleibt kaum Zeit Qualitäten zu argumentieren und ausführlich zu beraten. Dabei hat die LED mit ihren Eigenschaften der Effizienz, einfachen Steuerung, Langlebigkeit und Miniaturisierung viele Voraussetzungen geschaffen, die uns heute viel besseres Licht ermöglichen. 

Kurzer Einblick in die Mensch-Licht-Beziehung

Der Mensch verbringt heute einen Großteil seiner Zeit in Innenräumen. Die Evolution hat uns aber auf den vorhandenen Wechsel des Tageslichts geprägt. So gibt es einen Mix an Prozessen im Körper, die uns in einer gesunden Balance halten. Fachlich spricht man von circadianen Rhythmen und homöostatischen Prozessen, die zum Beispiel gesunden Schlaf regulieren. Verändern wir den Rhythmus, kommen wir sehr schnell in Probleme. In der heutigen Welt haben viele Menschen den Jet-Lag erlebt. Dieser dient als gutes Beispiel für die Wirkungsweise und hat seine Ursache im plötzlichen Verändern der Trigger des täglichen Rhythmus. 
Die Tierwelt und die Menschen haben sich optimal an die natürlichen Lichtbedingungen angepasst.
Bild 1: Die Augen und das Gehirn haben sich im Laufe der Evolution optimal an die natürlichen Lichtbedingungen angepasst. Dieser Prozess begann schon weit vor der Existenz des Menschen. 

Anwendungsfall 1: Spezielle Arbeitsplätze mit Anpassung des Biorhythmus

Die NASA nutzt seit Jahrzehnten hohe Lichtintensitäten, dynamisches Licht und Lichtfarben, um Astronauten biologisch und psychologisch zu unterstützen. Fehler, die Astronauten machen, sind teuer und gefährlich. Weltraumorganisationen wissen um die Wirkungsweise von Licht und nehmen für diese Lösung sogar gerne in Kauf, eine Masse zusätzlichen Raketentreibstoff für das Gewicht der Batterien und der Leuchten einzukalkulieren. Es fällt nur wenigen Menschen direkt auf, aber bei Live-Übertragungen aus Raumschiffen und Weltraumstationen sind Astronauten gut ausgeleuchtet, ohne dass eine Bühnenbeleuchtung benötigt wird. 
Für besondere Arbeitsplätze, z.B. bei Fluglotsen oder in Schaltanlagen von Atomkraftwerken finden sich ähnliche Konzepte. Bei diesen High-End Konzepten greift die Beleuchtung üblicherweise auch korrigierend auf den Biorhythmus ein. Eine Überwachung und Begleitung durch Arbeitsmediziner ist hier dringend geboten, damit in den Stunden außerhalb der Schicht der Bedarf von Licht und Dunkelheit geplant und befriedigt wird. Ein Eingriff in den Biorhythmus ist immer schwerwiegend und muss gut überlegt werden. Manchmal lässt es sich aber kaum vermeiden. Ein Chirurg, der um Mitternacht eine Notoperation durchführen muss, sollte, trotz der ungünstigen Zeit, in Hochform sein. 

Anwendungsfall 2: Räume, die den Menschen unterstützen

Ist das Ziel, den Biorhythmus der Menschen zu unterstützen, dann wird die Sache deutlich einfacher und positiver. Es erscheint logisch, dass in normalen Innenräumen und Umständen eine Orientierung am Tageslicht für Kunstlicht eine gute Lösung sein sollte. Wissenschaftliche Studien haben dies in den vergangenen 20 Jahren vielfach gezeigt. Wohlbefinden und Leistungsbereitschaft kann gut im zweistelligen Prozentbereich gesteigert werden. 
Unser Tageslicht definiert sich durch Zenitlicht in verschiedenen Weißtönen, Horizontlicht mit den intensiven Farben am Morgen und am Abend sowie wechselndem Licht. Letzteres entsteht durch Strukturen in unserer Umwelt und den Konsequenzen von Schatten, Reflexionen und dem Lauf der Sonne.
Bringen wir dies in unsere Räume, so stehen dem Lichtdesigner einige Tools zur Verfügung. Als Annäherung können sogenannte tunable-white Leuchten am Arbeitsplatz die Aufgabe des Zenitlichts übernehmen. Hat die Leuchte eine große Lichtaustrittsfläche, so ist dies im Normalfall für unser Auge von Vorteil. Dynamisches farbiges Licht an der oberen Hälfte von mindestens einer Wand gibt einen guten Horizont. Dimmbare Leuchten oder Spots können das Schattenspiel der wandernden Sonne gut simulieren. Dabei muss die Innenbeleuchtung hier gar nicht präzise dem Lauf der Sonne folgen. Die Veränderungen sind dabei so langsam, dass die Aufmerksamkeit des Mitarbeiters nicht gestört wird.  

Bild 2: Tageslicht ist weit mehr als nur eine Lichtveränderung von warm- auf kaltweiß. 

Anwendungsfall 3: Tunable-White Leuchten 

Wenn dynamisches Licht aus einer einzigen Standardleuchte realisieren werden soll, dann entscheiden sich die meisten Anwender für einen Fokus auf Zenitlicht. Als zaghafte Annäherung an das Thema „Human Centric Lighting“ sind somit tunable-white Leuchten ein erster Schritt. Hier hat der Markt inzwischen eine Vielzahl an Formen und Lösungen mit fixierten Steuerkennlinien. Diese Lösungen bieten oft eine gute erste Annäherung und sind ein Einstieg in die Human-Centric Lighting Diskussionen. Lichtlösungen haben aber eine deutlich längere Lebensdauer denn Smartphones. Sollten Sie vorhaben, die Beleuchtung in den kommenden drei Jahren wieder auszutauschen, ist eine zaghafte Annäherung an das Thema sehr sinnvoll.  

Qualität in der Steuerung

Im Gegensatz zu den Leuchten mit einer Bandbreite an Lösungen wird es bei der Steuerung schwieriger. Wichtig ist dabei, dass die Bandbreite an verschiedenen Leuchten, ob tunable-white, farbige oder dimmbare Leuchten, zueinander synchronisiert sind. In der Natur erlebt der Mensch das Licht am freien Feld, unter einem Baum und im Wald. In allen Bereichen ist das Licht dynamisch und tageslichtabhängig, wirkt aber ganz unterschiedlich auf Psyche und Wohlbefinden. Daher sollte der Nutzer zwischen verschiedenen Dynamiken wählen können. Die Stimmungen müssen sich zudem auf die Länge des Tages automatisch nach Jahreszeit anpassen. Ideal ist, wenn der Nutzer die Möglichkeit hat, spezielle Anforderungen zu realisieren, z.B. eine Lichtdusche, individueller Zugriff, eigene Szenen oder reduzierter Blauanteil am Abend für besseren Schlaf. Final ist es perfekt, wenn die Stimmungen einfach angepasst werden können, um individuelle Vorlieben zu realisieren.
Hier haben wir mit dem Projekt und der resultierenden Software „menschlichT“ eine innovative Lösung geschaffen und gezeigt, dass diese Kombination der Gütemerkmale in der Steuerung möglich ist. In den kommenden Jahren erwarten wir hier eine Reihe weiterer Lösungen und eine größere Auswahl an Systemen.

Vom Ziel zur Lösung

Human-Centric Lighting ist heute möglich und bringt in allen Anwendungen Vorteile. Ist die Erwartungshaltung klar gefasst, gibt es heute Lösungen. Ein Lichtexperte wird dann mit Freuden den Ball aufnehmen, Fragen stellen und beantworten und eine ansprechende Lösung finden. Hintergrundinformationen wie melanopische Wirkung, suprachiasmatischer Nucleus und retinale Ganglienzellen können in die Diskussion einfließen und haben einen berechtigten Platz in der Diskussion. Das Wissen um die Details der menschlichen Prozesse ist aber nicht notwendig, um die Wirkung von Human-Centric Lichtlösungen zu nutzen. 
Bild 3: Tunable-white Leuchten in der Fläche, dezente Farben an der Wand und wechselnde Spots im Raum schaffen eine Dynamik die Leistungsbereitschaft, Effizienz und Wohlbefinden steigert. 
Kombiniertes Raumerleben am Beispiel Musiksaal
von Wolfgang Bernecker 20 Okt., 2020
Ideen wie parametrisches Design und die jüngsten Entwicklungen in der Spielebranche bieten jetzt neue Möglichkeiten, um Endkunden, Designern, Lieferanten und Systemintegratoren das Darstellen, Auswählen und Erstellen exzellenter Beleuchtungslösungen erheblich zu erleichtern.
von Wolfgang Bernecker 04 Mai, 2020
Der folgende Artikel beschäftigt sich mit Status und Entwicklung von Echtzeitsimulationen im Bauhandwerk. Hier hat die Technik in den letzten Jahren so rasante Fortschritte gemacht, dass die Zeit reif ist, für innovativ orientierte Handwerksunternehmen, diese Technik einzusetzen. Dies trägt dazu bei, in der kommenden Konjunkturkrise, mit einer stärkeren Orientierung am Kundenwunsch aufzutreten und vor allem Kunden die Verunsicherung zu nehmen und Vertrauen zu schaffen. Damit wird Echtzeitsimulation eine tragende Säule in der Krisenbewältigung.
Die Nervenleitung einer Stadt sind Ihre Straßen.
von Wolfgang Bernecker 25 März, 2020
Dieser Artikel beschreibt, ausgehend von der LED, den Weg zur smarten Straße und intelligenten Kommune mit großartigen Optionen für mehr Bürgerbeteiligung.
von Wolfgang Bernecker 01 Jan., 2020
In diesem Artikel geben wir einen Ausblick auf alle Dimensionen des Lichts und Lösungsansätze, um die Qualität für den Menschen deutlich zu steigern. Lesezeit 7min.
von Wolfgang Bernecker 12 Dez., 2019
Wir finden heute drei Motivationen für gutes Licht – Ästhetik, Energieeffizienz und menschliche Bedürfnisse. Orientiert man sich am erreichbaren Optimum, ist dynamisches Licht in allen drei Anforderungen die logische Konsequenz. Unter dem Stichwort „menschlichT“ haben wir die technischen Grenzen für Ästhetik und menschliche Bedürfnisse verschoben und in den letzten Wochen mehrfach berichtet, z.B. hier. Wie sieht es aber mit dynamischem Licht und Energieeffizienz aus?
von Wolfgang Bernecker, translation by Chris Schlager 12 Dez., 2019
It is refreshing to see that the lighting industry, under the heading of “Human Centric Lighting”, is trying to turn the new possibilities of technology into real quality for people. It turns out that the term “Human Centric Lighting” is used for a very wide range of applications. A comparison between quality levels is hardly possible and by no means fair. The often cited “apples and pears”. The purpose of this blog is to provide interested end users with approaches to separating the “wheat from the chaff”. This increases the chance to meet expectations.
von Wolfgang Bernecker 22 Okt., 2019
Die LED hat der Branche eine Masse an Vorteilen gebracht. Während Energieeffizienz und Langlebigkeit den Markt schnell eroberten - oft mit schlechter Lichtqualität - erfreut die Technologie den Lichtdesigner mit drei anderen Eigenschaften. Sie ist klein, gerichtet und einfach, ohne Nachteile in der Alterung, anzusteuern. Um wirklich energieeffizient zu sein, sollte künstliches Licht das Tageslicht ergänzen. Da das Tageslicht sich permanent verändert, sollte das Kunstlicht ebenfalls dynamisch sein, um das benötigte Licht für die Sehaufgabe sicherzustellen. Gehen wir eine Stufe darüber hinaus, dann ist der Mensch nicht nur in seinen Sehaufgaben, sondern auch in seinen emotionalen, biologischen und psychologischen Bedürfnissen zu unterstützen. Heute ist nachgewiesen, dass dynamisches, am Tageslicht orientiertes Licht höchst wirksam ist. So wird Beleuchtung wirklich effizient. Final bringt diese Art des Denkens auch einen Vorteil, wenn es um Exponate geht - ganz egal, ob diese im Schaufenster oder in einer Galerie stehen. Objekte offenbaren unterschiedliche Facetten und wirken im Morgenlicht anders als im zenitlastigen Mittagslicht. Für viele Objekte und Szenarien, sowie für die menschliche Aufmerksamkeit ist dynamisches Licht häufig von Vorteil.
von Wolfgang Bernecker 01 Okt., 2019
Vom guten Licht zur einfachen Steuerung und Softwarelösung. In unseren vorherigen Blogeinträgen haben wir das Warum und Wieso es dynamisches Licht braucht ausführlich geschildert. Jetzt geht es um das greifbare Resultat und das fehlende Baustein am Markt. Hier einige Gedanken, Ideen und Material rund um die Lösung.
von Wolfgang Bernecker 23 Sept., 2019
Dynamisches Licht für die Werbung hat längst seinen Erfolgszug angetreten. Markenwelten und Ausstellungen nutzen die Dynamik, um die Aufmerksamkeit des Betrachters und potenziellen Kunden zu bekommen. Warum sollten Sie aber im Alltag dynamisches Kunstlicht nutzen?
von Wolfgang Bernecker 19 Sept., 2019
Warum sollten größere und etablierte Unternehmen beim Markteintritt einer neuen Idee auf externen Support setzen?
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